- Naturkatastrophen: Dürre, Stürme, Hochwasser
- Naturkatastrophen: Dürre, Stürme, HochwasserAtmosphärisch bedingte Katastrophenereignisse werden von der planetarischen Zirkulation bestimmt, die den Wärme- und Feuchtigkeitshaushalt regelt. Es können zwar punktuelle Ereignisse von größter Heftigkeit auftreten (Hurrikane, Tornados, Schichtfluten, Hagel oder Schneestürme — Letztere werden im Englischen Blizzards genannt), doch lassen sich Hochwasser und vor allem Dürre nicht auf Tag und Stunde festmachen. Gerade die beiden letztgenannten Katastrophenarten haben Vorlaufzeiten, in denen sich das Ereignis allmählich aufbaut, einen Höhepunkt erreicht und dann wieder abklingt. So kann der Boden nach Dauerregen so wassergesättigt sein, dass er keinen neuen Niederschlag mehr aufnehmen kann. Die Bäche füllen sich, treten über die Ufer und führen steigende Wassermassen dem nächsten Vorfluter zu. Schließlich steigt der Wasserstand in den Hauptflüssen (in Deutschland: Rhein, Elbe, Donau) bedrohlich an, erste Hochwasserwarnungen werden ausgegeben. Die Pegelstände flussaufwärts gelegener Messstationen oder solcher an der Einmündung wasserreicher Nebenflüsse (Mosel bei Koblenz, Inn bei Passau) geben den Durchlauf einer Hochwasserwelle zu erkennen, Fluttore werden geschlossen, Sandsackbarrieren errichtet, bedrohte Siedlungen evakuiert. Die Katastrophe kann sich über Tage und Wochen erstrecken.DürrenNoch schwieriger ist die Eingrenzung einer Dürrekatastrophe. Eine allgemeine und brauchbare Definition für Dürre ist praktisch unmöglich. Der Begriff Dürre muss immer im Zusammenhang damit gesehen werden, wofür das Wasser gebraucht wird. Es geht also weniger um eine unterschrittene Menge während eines bestimmten Zeitraums, sondern um das Ausbleiben des Regens am gewohnten Ort und in der üblichen Menge. Ackerbauern oder Viehzüchter gehen von bestimmten, gewohnten Niederschlagsmengen aus. Wer auf eine Jahresniederschlagsmenge von 600 mm eingestellt ist, empfände die 400 mm eines trockenen Jahres als »Dürre«, obwohl mit einem anderen Nutzungssystem, mit anderen Kulturpflanzen oder mit Weidewirtschaft statt Ackerbau damit anderswo durchaus erfolgreich gewirtschaftet werden kann.Dürre stellt eine unerwünschte Variation eines Normalzustands dar und führt ein Nutzungssystem an eine Grenze heran, ab der es nicht mehr in der gewohnten Weise funktioniert. Eine »schleichende Katastrophe« findet statt, die aber ihrerseits in einem wirtschaftlichen und gesellschaftlich-technischen Zusammenhang gesehen werden muss. Denn wenn in einem Bewässerungsgebiet die mit Dieselöl betriebenen Wasserpumpen wegen unerschwinglich gewordener Kraftstoffpreise stillgelegt werden müssen, mag zwar »Dürre« eintreten. Aber sie ist auf keinen Fall klimatisch oder witterungsbedingt. Man sollte hier keinem Glauben an einen durch die Natur bewirkten Zwang (Naturdeterminismus) verfallen.Dürre betrachten wir meistens als ein Problem der Ackerbauern oder Viehzüchter. Doch auch die Industriegesellschaft kann bei Trink- oder Brauchwasserversorgung unter Knappheit leiden, wenn der Energiegewinnung oder Kanalwasserhaltung dienende Stauseen austrocknen, Binnenwasserstraßen zu seicht werden, Kühlwasser fehlt und Rasenspreng- und Autowaschverbote erlassen werden müssen. Dabei treten oft Prioritätsstreitigkeiten auf: Soll am Staudamm der Bewässerung (Agrargesellschaft) oder der Stromerzeugung (Industriegesellschaft) Vorrang eingeräumt werden?Staaten mit Landüberfluss (USA, Kanada, Australien) tendieren in der Landwirtschaft meist zur Einsparung von Arbeitskräften und setzen massiv Maschinen (zum Beispiel Mähdrescher, Traktoren, Großpflüge) ein. Staaten mit Flächenknappheit (Mitteleuropa) forcieren die Düngemittelindustrie. Staaten in dürrebedrohten Gebieten versuchen das Problem der Agrarproduktion durch flächenintensives Wirtschaften und Wasserregulierung zu lösen. Dabei bedeutet Verfügungsgewalt über das knappe Wasser ein Herrschaftsinstrument und hat schon viele politische Konflikte an Jordan, Nil, Euphrat oder Tigris ausgelöst. Wasserknappheit (die »sieben fetten und die sieben mageren Jahre« der Bibel) haben Vorratswirtschaft und deren Kontrolle durch den Staat bewirkt und bürokratische Systeme (»hydraulische Gesellschaften«) entstehen lassen.Dust BowlWenn auch Berichte über lang anhaltende Dürreperioden in China, Indien, Afrika oder dem Vorderen Orient schon früh die Aufmerksamkeit der Historiker weckten, wurde doch erst in einer modernen Gesellschaft — in den USA der Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts — deren Reaktion auf eine Dürre erforscht und publizistisch verwertet. Die durch die Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929 bereits geschwächte Landwirtschaft der Vereinigten Staaten wurde durch anhaltende Dürre, starke Bodenerosion und Staubstürme (black dusters) in den Jahren 1930 bis 1935 schwer getroffen, ein Teil der Landbevölkerung sah sich zur Abwanderung gezwungen.Das Bild des Mittleren Westens und seiner Prärien hat in der amerikanischen Geschichte mehrmals gewechselt. So lange man die knappe Zahl der Einwanderer im atlantischen Osten festhalten wollte, um die Zahl der Industriearbeiter zu erhöhen und die koloniale Abhängigkeit von Europa abzuschütteln, wurden die weiten Ebenen jenseits des 98. Längengrads etwa von 1820 bis 1870 abfällig als »Great American Desert«, also als Wüste bezeichnet. Als der Osten erschlossen, die Westwanderung als Entlastungsventil erwünscht war und durch den Eisenbahnbau beschleunigt wurde, schilderte man in den Werbebroschüren der Eisenbahngesellschaften und Landagenturen den eben noch abgewerteten Raum als einen wahren »Garten Eden«. Er warte nur auf tüchtige Farmer, um nach dem Umbrechen der ursprünglichen Grasnarbe reiche Ernten zu gewähren. Immer weiter schob sich daraufhin die Siedlungsgrenze, die Frontier, in den Westen vor, und das Pioniererlebnis prägte den Typ des »Amerikaners«: Farmer und Rancher von großem Unabhängigkeitsstreben, bei denen die nationalen Charaktere aus den einzelnen Immigrantengruppen zu einem einheitlichen Menschentyp verschmolzen.Der Boden fliegt davonBriten, Skandinavier, Niederländer und Deutsche hatten die landwirtschaftlichen Techniken und Anbaufrüchte ihrer gut beregneten Heimat auch im Osten der USA mit seinen regelmäßigen Niederschlägen einsetzen können. Bei ihrer Westwanderung erlebten sie zwar gelegentlich ein Dürrejahr wie 1892, aber von 1900 bis 1930 war die Witterung der Great Plains relativ stabil und daher waren die Ernten gut. Nach dem Erlass des Homestead Act (Heimstättengesetz) von 1862 mit seiner quadratischen Landaufteilung, die eine Normgröße der Farmen von 64 Hektar festschrieb, hatte sich die Bevölkerung in Oklahoma, Arkansas oder Texas im »Brotkorb Amerikas« mehr als verzehnfacht. Dann setzten mehrere Jahre dauernde Dürren ein. Im März 1935 blies ein Sturm 27 Tage und Nächte lang, ließ Straßen unter Verwehungen verschwinden und brachte durch die Staublast auf den Dächern Gebäude zum Einsturz. In der Weltwirtschaftskrise versiegten die Hilfeleistungen des Bundes. Erst 1941 wurden wieder gute Ernten möglich. Die Versicherungsstatistiken weisen aber auch für den Zeitraum von 1948 bis 1962 Dürren als das wichtigste Ernterisiko (39 Prozent) auf.Die 64-Hektar-Normfarm erwies sich in Trockengebieten als zu klein, und auch die Getreide-Monokultur ließ sich nicht durchhalten. Indessen lernte man aus der Dürre; man installierte Windräder für Brunnenbewässerung und favorisierte das Dryfarming mit der Konzentration der Niederschläge zweier Jahre auf eine Ernte sowie das hangparallele Pflügen (contour lining). Das Risikoverhalten von Landnutzern zeigt uns am Beispiel der »dust bowl«, dass nicht nur exakt messbare Daten (Niederschlagsmengen, ihre saisonale Verteilung, Anbaufrüchte), sondern auch menschliche Wahrnehmungen und Einschätzungen für eine »Dürre« verantwortlich sein können, und nicht allein das entscheidet, »was ist«, sondern auch das, von dem wir glauben, »dass es sei«.Achtzig Prozent der gesamten Ackerfläche der ehemaligen Sowjetunion lagen in den 1920er-Jahren in der Schwarzerdezone, wo es humusreiche, größtenteils in semiariden, winterkalten Steppen über Löss gebildete kalkreiche Böden mit guter Durchlüftung, Krümelstruktur und Wasserhaltekapazität gibt. Diese Schwarzerde (Tschernosem) musste nicht wie die Braunerdeböden der humiden (gut beregneten) Waldgebiete in West- und Mitteleuropa durch Rodung, Drainage und hohe Düngemittelgaben für gute Ernten erschlossen werden. Sie nimmt mit rund 190 Millionen Hektar etwa neun Prozent der Gesamtfläche der ehemaligen Sowjetunion ein. Ihre Verbreitung beginnt an der Westgrenze der Ukraine mit rund 300 Kilometer Breite und verjüngt sich als immer schmaler werdender Keil über den südlichen Ural hinweg, bis sie im Vorgebirge des Altai ausläuft. Auf diesem Keil optimaler Bodengüte siedelten Russen und Ukrainer und trennten so bei der Kolonisation Sibiriens die schamanistischen Naturvölker der Taiga und Tundra im Norden von den islamischen Steppenvölkern im Süden (Kasachstan) und den Flussoasenbewohnern in Usbekistan und Turkmenistan mit ihren alten Bewässerungskulturen. Hier, wo die Transsibirische Eisenbahn zur Erschließungsachse bis hin zum Pazifik wurde, erstreckt sich ein Korridor höherer Bevölkerungsdichte.Aus diesem Gebiet heraus versuchten die Russen schon seit der Zarenzeit, ihr Siedlungsgebiet in die südliche Steppenzone mit ihren nur mehr 300 Millimeter Niederschlag auszudehnen. Dabei wurden gleichzeitig mehrere Ziele verfolgt: Verdrängung der Kasachen, Sesshaftmachung und Unterwerfung der Viehzuchtnomaden mit ihrer gegenüber dem Ackerbau extensiveren Landnutzungsform, Russifizierung, orthodoxe Missionierung und (später) politische Anpassung islamischer Völker an die Leitvorstellungen des Kommunismus, schließlich Industrialisierung und Ausbeutung von Bodenschätzen, Errichtung eines Testgeländes für Atomversuche und einer Startrampe für die Raumfahrt.Heute ist Kasachstan der flächenmäßig zweitgrößte GUS-Staat, und einige der beschriebenen Prozesse werden wieder rückgängig gemacht. In diesen Zusammenhang ist die Dürreproblematik eingebettet. Sie findet sich vor allem in einem großen Projekt der Regierungszeit von Chruschtschow wieder, als 1954 das Politbüro einen Beschluss zur Steigerung der Getreideproduktion durch Erschließung von Neuland in der eurasischen Steppenzone verkündete.Zelina, die kommunistische NeulandbewegungZentralgebiet dieser gigantischen Neulandaktion, der Zelina-Bewegung, wurde Kasachstan. Der Anbau von Sommerweizen sollte hierhin verlagert werden, um die besser beregnete Ukraine von der Weizenproduktion zu entlasten und auf Mais und Futterpflanzen umzustellen; diese waren wiederum dazu bestimmt, die Fleischproduktion zu erhöhen und den »Wohlstands-Kommunismus« der Ära Chruschtschow herbeizuführen. Allein in den Jahren 1954 und 1955 wurden fast 30 Millionen Hektar Neuland unter den Pflug genommen, zum Teil durch abkommandierte städtische Industriearbeiter oder »freiwillige« Einsätze von Jugendbrigaden, von Schülern und Studenten. Den in Kurzlehrgängen auf das Leben auf den riesigen Getreideschlägen vorbereiteten »Industriearbeitern auf dem Land« stand dabei ein umfangreicher Maschinenpark zur Verfügung: zwischen 1953 und 1959 stieg die Zahl der Traktoren in Kasachstan von 70 000 auf 216 000, die der Mähdrescher von 22 000 auf 75 000. Der vollmechanisierte Getreidebau, durch nicht ackerbauerfahrene Bevölkerungsgruppen ausgeübt, sollte die ideologische Spaltung von Stadt und Land überwinden helfen.Die auf den kastanienfarbenen Böden der Kirgisensteppe erwirtschafteten Erträge an Sommerweizen mussten in »Schlachten der Frühjahrsbestellung« und in »Ernteschlachten« errungen werden. Weil Winterweizen durch die geringe Schneedecke in Kasachstan auswintern würde, kann meist nur Sommerweizen angebaut werden. Der Zeitpunkt des Aussäens hängt vom Tauwetter des Frühjahrs ab. Das Auflaufen der Saaten muss aber andererseits schon stattgefunden haben, bevor die trockene Hitze des Sommers (mit dem Trockenwind Suchowej) die Halme verdorren lässt. Die Getreidebau-Industriearbeiter, die Zelinniki, mussten in einem genauso kurzen Zeitraum wie bei der Aussaat auch die Ernte vor dem jähen Einbruch des Winters in einer saisonalen Kampagne einbringen.Chruschtschow verliert eine SchlachtWeil der Ukrainer Chruschtschow sein Prestige so eng an die Erfolge »seiner« Zelina-Bewegung gekoppelt hatte, waren die Erntemengen für sein politisches Überleben maßgebend, und Witterungsereignisse wurden somit zeitgeschichtlich relevant. Schon 1957 folgte nach ersten guten Ertragsjahren eine dürrebedingte Missernte (5 Doppelzentner pro Hektar), im Frühjahr 1960 fegten starke Staubstürme fünf bis sechs Zentimeter der wertvollen obersten Ackerkrume fort, pro Hektar 500 bis 600 Kubikmeter. Die falsche Pflugtechnik aufgrund des aus dem europäischen Teil der Sowjetunion herangeführten Maschinenarsenals öffnete den Boden zu tief. Erst der zunächst verspottete Ritzpflug brachte später Abhilfe. Guten Ernten in den Jahren 1958 und 1959 folgten 1963 Dürre und Missernten (5 dz/ha). Schließlich trat (auch aus anderen Gründen wie etwa der Kubakrise) Chruschtschow 1964 zurück. Nach 1963 (3 dz/ha) wurden die aus den USA bekannten Trockenfeldbaumethoden eingeführt, die Quote der Brachflächen auf 25 % (USA 50 %) erhöht — was man lange aus Gründen der Siegesstatistiken nicht gewagt hatte — und es wurde bodengerechter gepflügt. Aber auch 1975 gab es noch einmal eine dürrebedingte Missernte (4,7 dz/ha). In der Bundesrepublik Deutschland erntete man gleichzeitig etwa 50 dz/ha. Die Investitionspolitik wandte sich stärker der Agrarchemie und Meliorationen (Maßnahmen zur Bodenverbesserung) im europäischen Teil der Sowjetunion zu.Inzwischen sind sowohl die Kornkammer der Ukraine wie auch die weiterentwickelte Zelina in Kasachstan für die Russen »Ausland« geworden und unterstehen nicht mehr den Wirtschaftsplänen der früheren Moskauer Zentralverwaltung. Das erhöht die Anfälligkeit Russlands für Versorgungsengpässe, die nur durch Getreideimporte aus dem Westen beherrscht werden können und damit unerwünschte Abhängigkeiten und Prestigeeinbußen hervorrufen.Dürren in AustralienKehren wir nochmals zum Dürreproblem in einem entwickelten Kontinent westlicher Prägung zurück. In Australien besteht seit den 1940er-Jahren eine spezielle Dürreüberwachung (Drought watch system). Die schwersten Dürreperioden traten in den Jahren 1967—1969 und 1981—1983 ein. Neben den vollariden und humiden Gebieten Australiens ist mehr als die Hälfte des Kontinents semiarid, erlaubt eine angepasste Nutzung, wenn auch risikobehaftet. Eine aus Mallee Scrub (immergrüne Strauchvegetation, vor allem aus Eukalypten), Akazien, Eukalyptus und Salzbusch bestehende natürliche Vegetation schützt sich vor Dürre durch eine Art »Trockenschlaf«, bei dem die Blätter abfallen und so die Verdunstung herabgesetzt wird. Nach Regenfällen leben die Pflanzen wieder auf, sie regenerieren sich auch nach Buschfeuern viel schneller als importierte Hölzer. Auch die Kängurus können ihre Reproduktion sehr schnell auf Trockenbedingungen einstellen. Als ihre natürlichen Feinde, die Dingos, massenweise abgeschossen wurden und die erhöhte Zahl künstlich geschaffener Wasserstellen auf den Farmen ebenfalls den Kängurus von Vorteil wurde, traten diese in stärkere Konkurrenz zu den importierten Nutztieren wie Rind, Schaf und Ziege.Dürren in Australien sind aber unter anderem auch eine Folge der Bodengesetzgebung. Die großen Betriebe wirtschaften häufig aufgrund von Pachtverträgen, die sie für 99 Jahre mit dem Staat als Landbesitzer abgeschlossen haben; dies verleitet, insbesondere bei absehbarem Ablauf der Pachtfrist, zu einem rücksichtslosen Umgang mit den Ressourcen. Der Staat New South Wales verleiht an sich nur Weiderechte, erlaubt aber zuweilen auch ein »opportunistic cropping«, gelegentlichen Getreidebau in feuchten Jahren. Hat man sich in einer feuchten Periode an solche Nebeneinkünfte gewöhnt, dann ist ein Trockenjahr ein »Rückfall« in die eigentlich erlaubte Nutzung, und man stellt Schadensansprüche an die staatliche Versicherung. Die eigentlich für Naturkatastrophen wie Erdbeben und Wirbelstürme angesammelten Rücklagen werden durch solche Inanspruchnahme zu einer stillschweigenden Subventionierung dürregefährdeter Farmer und dadurch zu einem Regionalausgleich. Die Wirkung solcher Hilfen war bisher konservativ-stabilisierend, da sie die Rückkehr zu den Verhältnissen vor der Dürre garantieren sollte und die politisch mächtige Agrarlobby begünstigte. Seit dem Zweiten Weltkrieg verlangen aber die Millionenstädte an der Küste eine stärkere Berücksichtigung ihrer Interessen. Ihre Anziehungskraft dünnt die Agrarbevölkerung im Landesinnern, dem Outback, bis an die Grenze einer gerade noch finanzierbaren Infrastrukturversorgung (Schulen, Krankenhäuser, Bankfilialen, Poststationen) aus. Die Sympathie der öffentlichen Meinung für die »Dürreopfer« geht zurück. Manche Farmer haben allzu unbedenklich investiert. Andere ließen sich auf zu hohe Risiken ein, weil sie der staatlichen, aber — wie sich später zeigte — falschen Einschätzung der Tragfähigkeit des Bodens vertraut hatten.WaldbrändeWährend langer Dürreperioden kommt es häufig zu gewaltigen Busch- und Waldbränden. Nach monatelanger Trockenheit bedarf es meistens nur eines letzten Zündfunkens. Oft rührt dieser von einem unbedachten Wanderer, spielenden Kindern oder sturmbewegten Hochspannungsleitungen her, aber auch von »Feuerteufeln«, möglicherweise im Auftrag eines Grundstücksspekulanten, der damit den erwünschten »Kahlschlag« auf einer für weitere Bebauung geeigneten Fläche durchsetzen will. Auf Korsika werden solche Brände auch von Separatisten gelegt, die Ausländer und Festlandsfranzosen von ihrer Insel fernhalten wollen. So sind Waldbrände in mediterranen Klimagebieten sowohl eine natürliche, oft durch Blitze ausgelöste Erscheinung, die zur ökologisch erwünschten Verjüngung der Vegetation führt, als auch ein hingenommenes Naturereignis, bei dem in städtischem Umland gelegene, suburbane, waldnahe Wohn- und Freizeitgebiete (unter anderem in Kalifornien, Australien, an der Riviera, auf Mittelmeerinseln) gegen das Feuer verteidigt werden müssen. Waldbrände sind aber auch ein typischer Man-made Hazard, also ein vom Menschen ausgehendes Risiko, das eng mit den gesellschaftlichen Verhältnissen eines Raums (Suburbanisierung, Wohnsegregation, das heißt soziale Viertelbildung durch Bebauung extrem gefährdeter Prestigelagen mit schöner Aussicht, kostspieliger Bauweise, sozialen Spannungen und Kriminalität) verknüpft ist.FeuerstürmeDer Ablauf einer Waldbrandkatastrophe, ob in Südkalifornien, Italien, Südfrankreich oder Australien, folgt einem im Wesentlichen gleichen Schema: Eine leicht entzündbare, zundertrockene Vegetation (Chaparral, Garrigue, Macchie, Mallee Scrub) steht am Ende der Vegetationsperiode nach langer Trockenheit als Nährstoff des Feuers zur Verfügung. Die Druckverhältnisse lassen aus den im Hinterland gelegenen Trockengebieten Heißluft mit hoher Windgeschwindigkeit, bis zu 100 km/h, in ein Küstengebiet einfallen (Adelaide, Januar 1939: zehn Tage hindurch 36 ºC, Maximum 46,1 ºC; Adelaide, Februar 1983: 40,8 ºC, 71 Tote, 1000 verbrannte Häuser). Adiabatische, das heißt bei absteigender Luftbewegung sich erwärmende Luftmassen mit Föhneffekten, wie beim Santa-Ana-Wind in Kalifornien, beim Schirokko in Südeuropa, bei der Bora an der adriatischen Küste, verstärken als Fallwinde die Austrocknung des angesammelten Brennstoffs und fachen scheinbar gelöschte Feuer immer wieder an. Oft werden die Brände im Tagesverlauf heftiger, weil die Nachtfeuchte des Brennstoffs verdunstet ist, Luftbewegung (Konvektion) durch das Feuer entstanden ist und die von den Brandherden ausgehende Strahlung das entzündbare Material vor der Feuerwalze getrocknet hat. Dazu kommen lokale Bedingungen: Feuergassen in den Tälern, Auftrieb an Hängen und Überspringen noch nicht entflammter Bestände von einem Kamm her. Die Windgeschwindigkeit spielt dabei eine große Rolle. Bei 10 km/h Windgeschwindigkeit schreitet die Feuerfront mit 0,5 km/h voran, bei 20 km/h mit 0,75 km/h, bei 40 km/h mit 1,75 km/h. Schlägt das Bodenfeuer in die Wipfelregion durch, können Feuergeschwindigkeiten von bis zu 20 km/h erreicht werden. Grasfeuer können achtmal schneller fortschreiten als Buschfeuer. Hangaufwärts brennt es schneller (mit der Konvektion) als hangabwärts. Thermisch entstandene Wirbelwinde können brennende Äste und sogar Stämme weithin verfrachten und neue Feuerherde entstehen lassen.Verheerende Brände wurden seit dem Sommer 1997 im tropischen Regenwald Südostasiens entfacht, vor allem auf Sumatra und Borneo. Kleinbauern, besonders aber Plantagenbesitzer wollten neues Land gewinnen. In der extremen Trockenheit als Folge eines El-Niño-Ereignisses gerieten die Feuer außer Kontrolle und wüteten monatelang. Der sich zu Smog verdichtende Rauch trieb bis nach Singapur und Malaysia, Tausende Menschen litten unter gefährlichen Atembeschwerden, vielfach mussten Schulen und Fabriken schließen, der Tourismus kam zum Erliegen. Aufgrund der auf wenige Meter zurückgehenden Sicht kam es zu Verkehrsunfällen, Flugzeuge stürzten ab, Schiffe stießen in der Malakkastraße zusammen. In Indonesien wurden mindestens zwei Millionen Hektar Vegetation vernichtet.Feuer bedroht die Freizeitgesellschaft SüdkaliforniensAn den von Chaparral (immergrünes Gebüsch) bewachsenen ausgedörrten Berghängen der Santa Monica, San Gabriel und San Bernardino Mountains fallen die breiten Schneisen (firebreaks) und Wachttürme ins Auge, mit denen der Kampf gegen Waldbrände an den Hängen des Beckens von Los Angeles erleichtert werden soll. Der besonders im Herbst nach einer langen Trockenperiode häufige Santa-Ana-Wind stürzt dann in Föhngassen mit bis zu 40 ºC und nur mehr 2 Prozent Luftfeuchtigkeit, genährt von der heißen Luft aus der Mojave-Wüste, in die Siedlungen am Bergfuß und erreicht dabei Windgeschwindigkeiten von bis zu 120 Stundenkilometern.Des hohen Erdbebenrisikos wegen und angesichts der Klimagunst bestehen die Häuser in den endlosen Villenkolonien der zusammenwachsenden Siedlungen Südkaliforniens meist nur aus einer gegossenen Betonfundamentplatte, über der ein Fachwerkhaus errichtet wurde. Sein Holzgerüst wird mit Platten verkleidet, erhält eine Art Gitterdraht-Korsett, auf dem Gipsstuck aufgespritzt wird, sodass man dem Aussehen nach rein äußerlich an eine gemauerte und verputzte Ziegelwand denken könnte. Gedeckt wird solch ein Haus häufig mit Holzschindeln, die — günstig im Fall eines Erdbebens — leichter sind als Dachziegel. Lediglich ein gemauerter Kamin, der aber meist nur einen vorfabrizierten, strom- oder erdgasbetriebenen »Scheiterhaufen« enthält, besteht neben der Küchenzeile aus Herd, Spüle, Kühl- und Gefrierschrank, Wasch- und Spülmaschinen aus nicht brennbarem Material. Ein Haufen ausgeglühten Metalls und der Kamin sind somit häufig die einzigen Überreste eines Luxusbungalows, über den der Feuersturm hinweggegangen ist.Nicht nur die Häuser werden bei einem solchen Flächenbrand in den Siedlungen zerstört. Weithin ist an den Hängen auch die gesamte Vegetationsdecke verbrannt, sodass sich an den kahlen schwarzen Hügeln die Erosionsrate während der Winterregen um einen Faktor 15 bis 35 erhöht. In den von Vegetation freigehaltenen Waldbrandschneisen oder auf den die Starkstrommasten begleitenden Kahlschlagflächen ist die Bodenerosion ebenfalls hoch, sodass es hier zu einem Konflikt bei der Bekämpfung zweier Risikoarten kommt. Auch trägt die freizeitorientierte Lebensweise außer Haus in Kalifornien zum Brandrisiko bei. Von Grillpartys in einem Cañon bis zu Lagerplätzen von Drogenabhängigen, die irgendwo ihre Spritzen auskochen, häufen sich die Anlässe, draußen Feuer zu machen. Orangenplantagen mit der »falschen«, nicht mehr marktgängigen Obstsorte erhalten kein Bewässerungswasser mehr und verdorren, bevor sie in Bauerwartungsland umgewidmet werden. Verliert aber eine Villensiedlung erst einmal ihren schützenden und schmückenden Kranz von Zitruspflanzungen, sinken auch die Häuser schnell im Wert und werden dem »urban blight«, der Verslumung, überlassen.Berkeley und OaklandAm Sonntag, dem 20. Oktober 1991 entstand um 10.53 Uhr durch gleichzeitig gelegte Buschfeuer rechts und links des Highway 24 die größte Feuersbrunst der vergangenen 85 Jahre in Amerika. Die letzte Brandkatastrophe dieses Ausmaßes hatte infolge des Erdbebens von 1906 San Francisco vernichtet. Jetzt gingen sieben Quadratkilometer der Oberstadt von Oakland und der bekannten Universitätsstadt Berkeley in einem Feuersturm unter. 24 Menschen kamen ums Leben, 34 wurden vermisst, Hunderte verletzt. Rund 3000 Villen und Eigentumswohnanlagen wurden zerstört; Experten schätzten einen Sachschaden von 1,5 bis 2,5 Milliarden US-Dollar. Er war so hoch, weil es sich um die prestigeträchtigsten Viertel an der Ostküste der San Francisco Bay handelte, die sich malerisch an den Hängen der San Pablo Range hochziehenden Villen der Oberschicht, mit Blick über die Bucht und auf die Hochhaussilhouette von San Francisco. Rund 5000 Anwohner verloren ihre Kunstschätze und Bibliotheken und waren zeitweise obdachlos.1982 war das bis dahin trockenste Jahr seit Beginn der Messungen in Südaustralien gewesen. Der ENSO- beziehungsweise der El-Niño-Effekt wurde dafür verantwortlich gemacht. Adelaide hatte nur 61 Prozent des durchschnittlichen Niederschlags erhalten. Am 15. Februar 1983 stieg die Temperatur in der rund eine Million Einwohner zählenden Küstenstadt, der Haupstadt Südaustraliens, auf über 40 ºC. Eine dicke Schicht trockenheißer Luft begann sich aus dem wüstenhaften Inneren des Kontinents, dem Outback, nach Süden zu schieben, während eine Kaltfront aus dem Pazifik nach Norden zog.Schon am Morgen des 16. Februar 1983, dem Aschermittwoch, gab es in Adelaide und Umgebung starke nordnordwestliche Winde, die eine riesige Staubwolke mit sich brachten. Zwischen 11 Uhr und 13 Uhr Mittag brachen an verschiedenen Stellen große Brände aus. Gegen 15 Uhr bewegte sich eine Kaltfront mit 90 bis 100 km/h Geschwindigkeit aus dem Westen (Große Victoriawüste) heran, und heiße, trockene kontinentale und kühlere ozeanische Luftmassen vermischten sich und bewirkten einen schnellen Wechsel von Luftdruck, Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Obwohl dabei leichter Regen fiel, waren die böigen südwestlichen Winde doch entscheidender, weil sie das Feuer in den Nordosten trieben und verstärkten. Vor allem die Wälder aus nicht heimischen Kiefern fingen Feuer, Herden auf den Weiden erstickten. Die große Hitze schuf lokale Turbulen- zen und bewirkte Feuerwalzen, welche Bäume knickten und Dächer fortwirbelten. Innerhalb von 12 Stunden waren 1600 Quadratkilometer Land, 385 Häuser, 10 000 Kilometer Weidezäune, 500 Autos und zwei Sägewerke verbrannt. Der Schaden wurde auf eine Summe zwischen 200 und 400 Millionen Australische Dollar geschätzt.Das hat auch mit dem hohen Wert der in der besonders gefährdeten Mount Lofty Range östlich von Adelaide errichteten Landsitze und Häuser zu tun. Der freizeitbetonte Lebensstil der Australier ist bei der wohlhabenderen Bevölkerung oft mit der Haltung von Reitpferden verbunden; dabei werden etwa zwei Hektar Weideland pro Pferd benötigt. Der Bodenpreis in gesuchten Aussichtslagen mit Blick auf Stadt und Meer ist hoch, die Siedlungsdichte entsprechend gering. Wiederholte Brände stärken das Risikobewusstsein; wenn es aber lange nicht gebrannt hat, wird man nachlässig. Ein »Generationengedächtnis« muss sich hier erst herausbilden. Neu Zuziehenden fehlt diese Erfahrung, und sie müssen durch behördliche Auflagen hinsichtlich Baustoffen und Baustil, Zwangsmitgliedschaft bei der Feuerwehr oder hohe Ablösesummen, wenn man sich dem Dienst entziehen möchte, zur Solidarität genötigt werden. So sind etwa regelmäßig die Dachrinnen von Blättern zu säubern, lose Bodenstreu zu beseitigen und genügend Brandbekämpfungsmittel bereitzuhalten. Natürliche Faktoren und gesellschaftliche Gegebenheiten sind bei Waldbränden eng miteinander verknüpft.StürmeVon Stürmen war bereits bei den Waldbränden die Rede, da diese, von Starkwinden angefacht, zu Feuerstürmen werden können. Aber es gibt noch kompliziertere Zusammenhänge: Forscher behaupten, dass schneller und starker Luftdruckwechsel an besonders spannungsbelasteten Teilen der Erdkruste sogar Erdbeben auslösen könne. Dafür steht als Beispiel das Kanto-Erdbeben von Tokio im Jahre 1923: Am 1. September zog ein Taifun durch die Region. Am gleichen Abend gab es ein Erdbeben der Stärke M 8,2 auf der Richter-Skala, durch das die meisten Wasser- und Gasleitungen zu genau jenem Zeitpunkt zerstört wurden, als man in Millionen Haushalten das Abendessen kochte. Die entstandenen Feuer wurden durch den Taifun zu einem Flammensturm verstärkt, dem am 2. und 3. September rund 100 000 Menschen zum Opfer fielen, die in den Flammen erstickten. Stürme verbinden sich aber auch noch mit anderen, vom Meer ausgehenden Gefahren, wenn sie zur Zeit ohnedies hoher Flutstände (Springtide) auftreten und Sturmfluten bewirken oder wenn sie Treibeis verfrachten. Zwischen Windstärke und Wellenlänge oder -höhe bestehen bestimmte Beziehungen.Stürme sind in der Sicht der Versicherungswirtschaft die kostspieligsten Elementargefahren und fordern im Zusammenhang mit anderen Naturereignissen die meisten Menschenopfer (etwa in Bangladesh, wie weiter unten aufgezeigt wird). Von den zwischen 1960 und 1989 registrierten 114 größten Naturkatastrophen waren 50 % sturmbedingt, 30 % gingen auf Erdbeben und 10 % auf Überschwemmungen, der Rest auf Vulkanausbrüche, Dürren und Waldbrände zurück. Eine tropische Zyklone (in Ostasien Taifun, in der Karibik Hurrikan genannt) wird in der Regel von zwei zusätzlichen Schadenswirkungen begleitet, die die eigentlichen Sturmschäden zuweilen weit übertreffen: das Meer überflutet die Küste und dringt weit in die Flussmündungen ein (Salzwasserschäden an den Böden), während gleichzeitig gewaltige Regenfälle auch von der Landseite her Wassermassen ausschütten, die vom überlasteten Flusssystem nicht mehr aufgenommen werden können; Dämme und Deiche brechen. Somit wirken Wirbelstürme eher flächenhaft und zerstören ganze Landstriche, während bei Erdbeben eher die Namen einzelner zerstörter Städte als punktuelle Ereignisse im Gedächtnis haften.Möglichkeiten der SturmmessungDie Beaufort-Skala misst die mittlere Windgeschwindigkeit innerhalb von zehn Minuten in einer Höhe von zehn Metern über dem Boden, kann also einzelne Böen nicht berücksichtigen. Jährlich werden weltweit etwa 70 Wirbelstürme gemeldet, von denen etwa 40 die Windstärke 12 erreichen. Schäden entstehen ab einer Windgeschwindigkeit von etwa 60 km/h (Windstärke 7 bis 8). Die sechsstufige Fujita-Tornadoskala geht in den Werten der Windgeschwindigkeit weit über die Hurrikanskala hinaus. Nur zwei Prozent aller Tornados erreichen die höchste Stufe, sind aber für 68 Prozent aller Todesopfer (bei 20 000 untersuchten Ereignissen) verantwortlich. Während der durchschnittliche Tornado eine drei Kilometer lange und 140 Meter breite Schadensspur verursacht, können extrem starke Tornados bis 400 Kilometer Länge und zwei Kilometer Breite erreichen. Beim Durchzug eines Tornados kommt es zu extremen Luftdruckunterschieden, sodass luftdicht abgeschlossene Gebäude wegen des Überdrucks gegenüber der Trombe von bis zu einer Tonne pro Quadratmeter explodieren können. Tornados können 200 bis 300 Tonnen schwere Objekte zehn und mehr Meter weit transportieren, 20-Tonnen-Waggons mehrere hundert Meter weit. Sie können das Wasser aus einem Flussbett heben.»Andrew«Die Hurrikan-Zugbahnen der großen Wirbelstürme nördlich der Antillen von 1900 bis 1992 zeigen, dass »Andrew« bis zum 22. August 1992 einer relativ harmlosen Zugbahn ohne wesentliche Landberührung folgte. Dann wurde der Hurrikan aber von einem kräftigen Bermudahoch nach Westen abgedrängt und erreichte das Festland (»landfall«) an der Südspitze Floridas. Er berührte Miami zum Glück nur randlich und verschonte bei seinem Weiterzug nach Louisiana auch gerade noch New Orleans. Die mit 30 Milliarden US-Dollar bisher höchste Schadenssumme wäre bei einer 50 km nördlicheren Zugbahn noch weitaus höher ausgefallen. Zwar hatte das Sturmfeld von »Andrew« mittlere Windgeschwindigkeiten von 230 km/h, Spitzenböen sogar von 280 und 320 km/h, es war jedoch zum Glück ungewöhnlich schmal. Um ein stilles »Auge« von rund 20 km Durchmesser rotierte der ungefähr 15 km breite »Wall«, sodass die gesamte Bandbreite des Orkans nur rund 50 km betrug. Die Radaraufnahme des Wetters zeigt eingelagerte Zellen, die um das Auge rotieren, einmal als Nordsturm, dann als Südsturm. Die Windgeschwindigkeiten nördlich des Auges waren höher als im Süden, weil sich hier die Rotationsgeschwindigkeit und die Verlagerungsgeschwindigkeit (25 km/h) addierten.»Andrew« zerstörte 27 000 Wohnhäuser völlig und beschädigte weitere 45 000 schwer. Millionen von Menschen waren längere Zeit von Licht, Telefon, Wasser- und Lebensmittelversorgung abgeschnitten. Die meisten der 44 Toten starben in den für die Freizeitgesellschaft der USA typischen, leicht gebauten Wohnwagensiedlungen; daher wurde ein Verbot solcher Mobile Home Parks in bekannten Hurrikan-Zugbahnen erwogen. Die Zahl der Toten war angesichts des Ausmaßes der Katastrophe so niedrig, weil eine präzise Vorhersage der Zugbahn und umfangreiche Evakuierungen der gefährdeten Bevölkerung erfolgreich gewesen waren. In einem weltbekannten Produktionsgebiet für Gemüse und Obst wurde fast jeder Baum entwurzelt, 13 Offshore-Plattformen der Erdölwirtschaft wurden zerstört, 200 weitere beschädigt. Erhebliche Betriebsunterbrechungen traten vor allem im Bereich der Tourismusbranche auf, einer der Haupteinnahmequellen Floridas. Die 625 000 Schadensmeldungen führten eine Reihe kleinerer Versicherungen in den Ruin. Von den 30 Milliarden US-Dollar Sachschaden waren 16 Milliarden versichert.»Mitch«Vom 30. 10. bis 8. 11. 1998 tobte der Hurrikan »Mitch« über den zentralamerikanischen Staaten Honduras, Nicaragua, El Salvador und Guatemala. Ebenfalls betroffen waren Mexiko, Costa Rica, Panama und Teile der USA. Die schlimmsten Schäden entstanden in Honduras und Nicaragua. Sturmböen mit bis zu 340 km/h an der Küste von Honduras und 270 km/h auf der vorgelagerten Insel Gunaja, wolkenbruchartige Niederschläge, die bis zu 625 Millimeter in 24 Stunden brachten, Schlammströme, Erdrutsche und Überschwemmungen waren die Folge. Mit der Stufe 5 auf der Saffir-Simpson-Skala war »Mitch« der viertstärkste atlantische Hurrikan des 20. Jahrhunderts. Zahlreiche Flussdämme brachen, und große Gebiete mit Hunderten von Dörfern wurden von der Außenwelt abgeschnitten. Zehntausende Häuser und Wohnungen wurden zerstört. Große Verluste entstanden auch an der Infrastruktur: Honduras und Nicaragua verloren bis zu 70 Prozent ihrer Straßen, Brücken und Versorgungslinien. Vom Vulkan Casitas in Nicaragua ergoss sich ein Schlammstrom (Lahar) über 80 Quadratkilometer, fünf Dörfer und 2000 Menschen wurden unter ihm begraben. Gleichzeitig entsandte der Vulkan Cerro Negro in Nicaragua einen Lavastrom.Die Stromversorgung und die Telefonsysteme brachen zusammen. Lebensmittel und Trinkwasser wurden knapp, die Versorgung mit Treibstoffen versagte, wovon auch die Touristenzentren betroffen waren. Offshore-Ölplattformen mussten evakuiert und die Häfen geschlossen werden. Die gesamte wirtschaftliche Situation Zentralamerikas wurde kritisch. Große Verluste trafen die Landwirtschaft durch die Überschwemmung von 60 % des Nutzlands, 70 bis 80 % der Bananenpflanzungen wurden zerstört, und auch die Kaffeeplantagen erlitten große Verluste, also wesentliche Exportträger. Viehbestände wie auch viele wild lebende Tiere gingen zugrunde. Neben den etwa 9200 Toten und 18 000 Vermissten wurden etwa 500 000 Personen obdachlos, Hunderttausende mussten evakuiert werden. Der Ausbruch von Epidemien brachte zusätzliche Menschenverluste. Die wirtschaftlichen Schäden werden auf sieben Milliarden US-Dollar geschätzt, nur etwa 150 Millionen davon waren versichert.»Tracy«Tropische Wirbelstürme werden durch die von der Meeresoberfläche ausgehende Wärme gespeist, wobei das Wasser wärmer als 26 bis 27 ºC sein muss, ein Zustand, der in den Monaten Juni bis Oktober auf der Nord- und Dezember bis Mai auf der Südhalbkugel eintritt. Treiben Passate dieses warme Oberflächenwasser auf die Westseite der Ozeane, so sind in der Karibik, im Südchinesischen Meer und in der Korallensee östlich von Australien die Entstehungsbedingungen für Zyklonen besonders günstig.Am 23. Dezember 1974 näherte sich eine Zyklone mit einem Tiefdruckkern von 950 Millibar und mit 6 bis 7 km/h Geschwindigkeit nach mehreren Richtungsänderungen der damals 45 000, heute 80 000 Einwohner zählenden Hauptstadt des australischen Nordterritoriums, Darwin, und hatte um Mitternacht am Weihnachtsabend ihren »landfall« bei Durchschnittsgeschwindigkeiten von 140 km/h; Spitzenböen von 217 km/h zerstörten die Messgeräte. Der Radius der maximalen Windstärken über Darwin betrug sieben Kilometer, der Zugbahnenquerschnitt lag bei etwa 40 km. Die dem tropischen Klima angemessene leichte Bauweise auf Stelzen bewirkte, dass die Stadt in weiten Teilen dem Erdboden gleichgemacht wurde. Von 8000 Häusern wurden 5000 völlig zerstört, nur 500 blieben einigermaßen bewohnbar, 49 Menschen starben in der Stadt, 16 auf See, 140 wurden schwer verletzt. Die Schäden wurden auf drei Milliarden Australische Dollar geschätzt.Von größter Bedeutung waren die Begleitumstände. »Tracy« traf auf eine Bevölkerung, die durch ein ähnliches, aber harmloses Ereignis drei Wochen zuvor gleichgültig gegenüber den Warnungen geworden war oder im Weihnachtstrubel die präzisen Sturmwarnungen verdrängt hatte. Beurlaubungen bei Rettungsdiensten, Feuerwehr, Polizei und Militär während der Feiertage machten es unmöglich, die Notstandszentralen zu besetzen. Als der Wirbelsturm losbrach, feierten die verantwortlichen Beamten auf den traditionellen Weihnachtspartys, exakt nach Mitternacht zum Zeitpunkt des Eintreffens besuchten die Menschen wie üblich die Messe in der Kathedrale.Im tropischen Klima Darwins, im Südsommer, bedeutete der längere Zeit andauernde Ausfall der Stromversorgung nicht nur, dass alle Nachrichtenverbindungen innerhalb der Stadt und zur Außenwelt versagten, sondern dass auch (vom Haushaltskühlschrank bis zu den Lagerhäusern) die Vorräte auftauten und zu verwesen begannen. Geschäfte verteilten verderbliche Lebensmittel oder wurden geplündert, eine Bürgerwehr musste aufgestellt werden. Notstromgeneratoren waren mit Kriegsschiffen aus Sydney sechs Tage unterwegs. Das Chaos veranlasste den aus Canberra eingeflogenen Notstandskommissar Stretton, die Evakuierung von 25 000 Personen mit Flugzeugen in der Zeit vom 25. bis 31. Dezember 1974 anzuordnen. 10 000 Einwohner hatten außerdem Darwin bereits mit dem Auto verlassen, mit Zielen wie Adelaide (2600 km) oder Sydney (3200 km). Für die Durchquerung des Outbacks wurden in den Zählstellen Katherine, Tennant Creek und Alice Springs Reparatur- und Versorgungsstationen eingerichtet.Psychologische Untersuchungen von Evakuierten und Nichtevakuierten haben ergeben, dass sich die Ausgeflogenen um das positive Gefühl gebracht sahen, eine Katastrophe in Gemeinschaft mit anderen gemeistert zu haben. Das Nichtstun in den Aufnahmestädten, auftretende Spannungen mit den Gastgebern, die zeitweise Unsicherheit, ob der Staat auch den kostenlosen Rücktransport garantieren werde, ließen die Evakuierten den Stress, wenn auch anders, so doch genauso schwer empfinden, wie diejenigen, die unter schwierigsten Umständen geblieben waren.Wie in vielen Fällen von Totalzerstörung einer Stadt wurde lange um einen völligen Neubau an anderer oder Wiederaufbau an derselben Stelle gestritten. Häufig (so auch in Darwin) wird notgedrungen wegen der »unterirdischen Stadt« mit Kanalisation, Rohrleitungen und Kabeln am selben Ort rekonstruiert. Innerhalb von sechs Monaten kehrten 22 000 Einwohner nach Darwin zurück, hausten in Notquartieren, ihren mühsam geflickten Hausresten, in Trailern, Caravans, ja auf Schiffen im Hafen. Da rund 50 % der Einwohner der Behördenstadt Darwin Staatsbedienstete waren, in der Regel jüngere, hierher versetzte Leute, waren nur 40 % von ihnen Wohneigentümer (gegenüber 69 % im übrigen Australien); dies erleichterte den normierten Wiederaufbau unter strengeren Bauvorschriften. Die bisherige Stelzenbauweise wurde zugunsten von Betonstrukturen aufgegeben, die sich eng an den Boden halten und Windgeschwindigkeiten von 55 Metern pro Sekunde aushalten können.»Vivian« und »Wiebke«Im Gegensatz zu den tropischen Wirbelstürmen vom Typ »Tracy« — also Taifune, Zyklone oder Hurrikans, die über 300 km/h Windgeschwindigkeit erreichen können — übersteigt ein außertropischer Wirbelsturm selten 200 km/h. Ausgelöst wird er von Kaltluftausbrüchen, die aus den Polargebieten in gemäßigte Breiten vorstoßen. An der Polarfront entstehen dabei Tiefdruckwirbel, die — so in Europa — in schneller Folge über Großbritannien, Dänemark, die Niederlande und Mitteleuropa nach Osten vordringen. Während aber die tropischen Wirbelstürme meist engere Zugbahnen einhalten, können die Starkwindfelder außertropischer Wirbelstürme mehrere europäische Staaten gleichzeitig erfassen.Der Jahresbeginn von 1990 war fünf Wochen hindurch von zwei solchen Orkanereignissen bestimmt, als innerhalb von 20 Tagen sechs Orkantiefs der Stürme »Vivian« und »Wiebke« über West- und Mitteleuropa hinwegzogen. Bis Ende Februar 1990 waren den beiden Stürmen etwa 20 Millionen Bäume zum Opfer gefallen, 60 Millionen Kubikmeter »Sturmholz« von jetzt geringerem Wert, was den Holzpreis verfallen ließ und zwei Jahreseinschlägen entsprach, 80 Prozent davon waren Fichten. Der viel besungene »Deutsche Wald« führte auch dem ökologisch nicht interessierten Bürger drastisch vor Augen, wie in den letzten hundert Jahren an ihm gesündigt worden war: Man hatte im 19. Jahrhundert auch auf bis dahin baumfreien Flächen »ökonomische« Fichtenwälder in gleichaltrigen Beständen gepflanzt. Diese einseitig-ökonomische Verwandlung in einen Forst führte zur Bestandsverarmung und Monotonie. Reine Wirtschaftsforste sind krankheits- und sturmanfälliger als Mischwälder. Zudem hat das Waldsterben diese Bestände in ihrer Widerstandsfähigkeit noch weiter geschwächt. Angesichts zunehmender Erwärmung der Atmosphäre befürchtet man außerdem eine Zunahme der Stürme.Die WaldvernichtungDie Winterstürme Anfang 1990 wichen von den gewohnten Zugbahnen ab. Über Osteuropa fehlte die Schneedecke, die zum Aufbau eines stabilen Hochdruckgebiets mit seiner Blockadewirkung nötig gewesen wäre. So wurden die Tiefs nicht schon westlich von Irland, sondern erst östlich von Dänemark nach Süden abgelenkt, und die für die Mittelmeergebiete so wichtigen Frühjahrsregen fielen in Mitteleuropa. Während die küstennahen norddeutschen Wälder sturmerprobt waren (Niedersachsenorkan von 1972), also bereits eine Auslese unter Bäumen geringer Standfestigkeit stattgefunden hatte, war die Starkwindresistenz der süddeutschen Wälder geringer, die Schäden entsprechend höher.Abgesehen von den immensen Waldschäden wurden auch Verkehrslinien blockiert, Häuser abgedeckt, Strom- und Telefonleitungen unterbrochen, Deiche überflutet und Schäden von rund 12 Milliarden DM verursacht. Rund 100 Menschen kamen im Gefolge der beiden Orkane in Mittel- und Westeuropa ums Leben. Luftbildinterpretationen brachten im Raum München wertvolle Erkenntnisse über den Schadensverlauf: Mischwälder wiesen im Vergleich zu den Fichten- und Buchen-Reinbeständen geringe Schäden auf. Eindeutige Schadenschwerpunkte waren die stadtnahen Fichtenwälder. Waldvorsprünge oder Schneisen hatten besonders gelitten, desgleichen auch verlichtete Waldbestände. Hinter großen Freiflächen, überraschenderweise aber auch im Windschatten der Waldgebiete häuften sich die Schäden. Fichten fielen vornehmlich im größeren Verband, Buchen dagegen einzelstammweise.Um den Charakter der tristen »Stangerlwälder« in Zukunft zu vermeiden, wenn die Sozialfunktion des Walds, also seine Wasserhaltekapazität und sein Erholungswert für die Stadtbevölkerung, wichtiger sein wird als der Holzertragswert, sol- len statt der bisherigen Holzplantagen Eichen, Buchen, Ahorn, Linden, Kirschbäume und Sträucher in den staatlichen Wäldern gepflanzt werden. Man verspricht sich davon auch einen »Ansteckungseffekt« bei den privaten Waldbesitzern, denen der Staat allein in Bayern mit 226 Millionen DM in Form von Lagerprämien für das Schadholz, Borkenkäferbekämpfung und zinsgünstigen Darlehen geholfen hatte. Waren doch nach den Orkanen die Preise für den Festmeter Fichtenholz von 200 auf 60 DM gefallen.TornadosEine Sonderform des Wirbelsturms ist der Tornado, vom Durchmesser her zwar nur ein kleinräumiges, von der Intensität her aber ein besonders extremes atmosphärisches Katastrophenereignis. Die in einem engen, trichterförmigen, oft bis zum Erdboden reichenden Wolkenschlauch (»Rüssel«) aufsteigende Luft führt eine Kreisbewegung mit nach innen zunehmender Geschwindigkeit (100 bis 200 m/s) durch. Die Rotation des Rüssels wird durch die Erdrotation bestimmt, sodass sie in der Regel auf der Nordhalbkugel gegen und auf der Südhalbkugel gemäß dem Uhrzeigersinn verläuft. Tornados entstehen bei Überschichtung von unten liegender Warmluft durch darüber gleitende Kaltluft, die mehrere Kilometer tief abstürzt. Sie treten vor allem im Mittleren Westen der USA auf, besonders wenn im Frühsommer in Verbindung mit Gewitterwolken, bevorzugt vor Kaltfronten, trockenkalte Luft von den Rocky Mountains oder aus der Arktis mit feuchtwarmer Luft aus dem Golf von Mexiko zusammentrifft. Die Zugbahn der mit 50 bis 60 km/h fortschreitenden Rüssel und daher auch ihr Schadensfeld ist eng und scharf umgrenzt, die Zerstörung darin aber meist total. Im langjährigen Durchschnitt kommen in den USA jährlich etwa 750 Tornados vor, sie können einigen Hundert Menschen das Leben kosten.Auch Deutschland wurde von einem Tornado größeren Ausmaßes getroffen. Am 10. Juli 1968 bildete sich um acht Uhr abends bei Saarburg (Lothringen) zwischen subtropisch-feuchter Warmluft und kalter ozeanischer Luft eine Trombe, die 50 km weit durch die Wälder der Vogesen und den Hagenauer Forst zog, aber beim Oberrheingraben abhob und die Bodenverbindung verlor, bis sie am Nordrand des Schwarzwalds wieder Bodenberührung aufnahm. Hier zerstörte der Tornado 90 Minuten nach seiner Entstehung die Häuserzeilen Pforzheims, die in seinem Weg lagen: Bäume wurden entwurzelt und Dächer abgedeckt. Der Tornado beschädigte über 3000 Gebäude. Drei Menschen kamen ums Leben, rund 200 wurden verletzt, der Schaden wurde auf rund 40 Millionen DM geschätzt.Spezielle Sturmereignisse: HagelsturmÜber Hagelschäden wird in der Regel im Zusammenhang mit wertvollen Sonderkulturen wie Wein, Obst oder Hopfen berichtet. Die Landwirte suchen sich durch Hagelversicherungen abzusichern; sie setzen seit vielen Jahrzehnten beim Herannahen von hagelträchtigen Gewitterwolken Hagelkanonen ein oder hoffen, dass das aus Flugzeugen versprühte Silberiodid als Kondensationskerne die Wolken zum Abregnen veranlassen wird.Die Entstehungsbedingungen für Hagel sind genau umgekehrt wie die für Tornados: die Kaltluft liegt nicht über, sondern unter der Warmluft. Aufwindschlote reichen bis in 15 km Höhe; dort können Temperaturen von bis zu —70 ºC herrschen. Die Aufwinde in den Gewitterzellen halten die Gefrierkerne (Staubteilchen, Wassertröpfchen und anderes) in der Schwebe, reißen sie immer wieder hoch, sodass sie sich — Schale um Schale — Wachstumsschichten zulegen, bis Größe und Gewicht dem Aufwind nicht mehr länger standhalten können. Je nach Verweildauer in diesem Prozess können die Hagelkörner, die bei 5 mm Durchmesser beginnen, bis zu 100 und auch 150 mm Durchmesser anwachsen. Liegt die Aufschlaggeschwindigkeit für ein 1-cm-Korn bei etwa 50 km/h, so für ein 5-cm-Korn bei 110 und für das 14-cm-Korn gar bei 170 km/h, sodass ein Mensch erschlagen werden kann. Die Schäden auf den landwirtschaftlichen Flächen mögen bei einem Hagelschlag beträchtlich sein, sie sind aber wesentlich geringer als die Kosten, die ein Hagelsturm in dicht besiedelten Großstadtgebieten verursachen kann.Der Hagelsturm von München am 12. Juli 1984Es ist eine ganz seltene Ausnahme, dass ein Hagelstrich von 300 km Länge und 5 km Breite ein Gebiet von 1000 km2 betrifft und ausgerechnet über eine Millionenstadt hinwegzieht wie 1984 in München. Hier waren am 11. Juli noch 37 ºC gemessen worden, als die Störungsausläufer eines Islandtiefs subtropische Luftmassen verdrängten. Am Morgen des 12. Juli war der Himmel über München strahlend blau, erst nach 17 Uhr zogen gewaltige Gewittertürme auf 100 km Breite und 12 km Höhe auf, in denen sich die Konvektionsvorgänge abspielten. Gegen 18 Uhr fiel östlich von Ravensburg der erste Hagel, gegen 19 Uhr bei Landsberg, kurz vor 20 Uhr war der westliche Stadtrand von München erreicht. Die stark erwärmte Luftmasse über dem Häusermeer der Stadt und die feuchten Luftmassen aus dem Ammerseegebiet verstärkten die Aufwinde, aus denen in weiten Bereichen Hagelkörner mit 5 bis 6 cm Durchmesser fielen. Das größte maß 9,5 cm und wog 300 Gramm. Windstärken von 8 bis 10 Beaufort traten auf, und es fiel Starkregen mit einer Ergiebigkeit von bis zu 30 l/m2. Der Durchzug des Hagelsturms dauerte nur 20 bis 30 Minuten, aber noch weitere zweieinhalb Stunden lang fielen ergiebige Niederschläge. Angesichts zahlloser abgedeckter Häuser, zerschlagener Dachziegel und zersplitterter Fenster — insgesamt waren etwa 70 000 Gebäude betroffen — erhöhten sich dadurch noch die Schäden durch Wassereinbruch. Die Hagelkörner lagen zum Teil 20 Zentimeter hoch auf dem Boden. Auf dem Flughafen München-Riem wurden 24 Verkehrsflugzeuge sowie rund 170 weitere Flugzeuge beschädigt.Von den 400 Verletzten starb niemand unmittelbar am Hagel; es gab allerdings mehrere Todesfälle durch Aufregung oder unvorsichtige Reparaturarbeiten. Neben den vielen Geschädigten zogen Einzelne, wie bei jeder Katastrophe, auch Gewinn aus dem Ereignis. Viele der 240 000 Besitzer beschädigter Autos nahmen zwar die Versicherungsleistung wegen Wertminderung in Anspruch, reparierten ihre Autos aber selbst oder beließen sie im »Rostlaubenzustand« und nahmen die Dellen als »Schmucknarben« in Kauf. Glaser- und Bauhandwerk waren auf Monate ausgebucht und vergrößerten teilweise ihre Belegschaften. Die in München ansässigen Versicherungsgesellschaften benutzten ihr kulantes Verhalten bei der Schadensregulierung zu einer Werbekampagne, konnten sie doch glaubwürdig nachweisen, dass es gut war, versichert zu sein. Insgesamt belief sich der Sachschaden auf rund drei Milliarden DM.Schneesturm und Eisregen legen den Verkehr lahmVon einem normalen Regensturm unterscheidet sich ein Schneesturm zunächst dadurch, dass Niederschlag in Form von Schnee das 7 bis 10fache Volumen des bloßen Regens ausmacht, dass er nicht abfließt, sondern eine sich manchmal monatelang ansammelnde und sich verfestigende Decke ausbildet, die zu Verkehrsbehinderungen führt. Schließlich lässt sich Schnee verwehen und zu Wechten verfrachten, die mehrere Meter hoch werden können. Schnee kann Hohlwege auffüllen, Züge und Autokolonnen einschließen und zur Evakuierung der Insassen zwingen, falls man diese überhaupt erreichen kann. Im Winter 1977/78 erfroren allein in Illinois 24 eingeschlossene Kraftfahrer. Flughäfen mussten tagelang schließen, ebenso Schulen, Behörden und Fabriken, weil sie von ihren Schülern oder Mitarbeitern nicht mehr erreicht werden konnten.Räum- und Streudienste versagen vor allem vor den Schneemassen eines Blizzards, der als Schneesturm mit mehr als 60 km/h und Temperaturen unter —6 ºC definiert wird. Am stärksten werden Blizzards im Gebiet der Großen Seen und der Neuenglandstaaten in den USA sowie im angrenzenden Kanada. Die Zahl der Todesopfer entspricht jener von Tornados. Der Blizzard vom 28. Januar 1977 in Buffalo verursachte mehr als 100 Todesfälle, jener vom März 1988 in New York 400. Gefahren entstanden durch von den Wolkenkratzern stürzendes Eis. Die Schneemassen eines Blizzards brachten im Februar 1977 Hallendächer zum Einsturz, 2000 Mann der Nationalgarde wurden zur Schneeräumung eingeflogen und für die Bürger Fahrverbote erlassen, die mit 90 Tagen Haft und 5000 US-Dollar Strafe durchgesetzt werden sollten. Am 7. Januar 1996 fielen in New York 60 Zentimeter Schnee, für sieben Bundesstaaten an der Ostküste der USA von Maine bis nach Nordflorida wurde der Notstand ausgerufen, die Flugplätze von New York, Philadelphia, Boston und Washington mussten schließen, 96 Menschen starben.Die angesammelte Schneedecke, von warmen Winden aufgetaut, kann in Verbindung mit Frühjahrsregen zu verheerenden Überschwemmungen führen, vor allem, wenn der Boden noch gefroren ist und deshalb kein Wasser aufnehmen und ins Grundwasser weiterleiten kann. Unsere Einstellung zum Schnee ist zwiespältig. Aus ästhetischen Gründen wünscht man sich »Weiße Weihnachten«. Der Skiliftbesitzer wünscht sich eine lang liegen bleibende, der Landwirt eine kürzer liegen bleibende Schneedecke, die er aber andererseits als Saatenschutz vor Auswinterungsschäden begrüßt. Die Kommunen fürchten die Kosten von Schneeräumung und Straßendienst. Für die USA der späten 1970er-Jahre wurden rund 500 Millionen US-Dollar, für Kanada 125 Millionen Dollar als jährliche Schneebeseitigungskosten geschätzt.Solange der Boden gefroren ist, droht im Eisregen eine weitere winterliche Gefahr, denn er legt durch Glatteis den Verkehr lahm. Regen, der aus einer wärmeren Luftmasse stammt, durch eine kältere Schicht fällt und den Boden nicht in Form von Schnee, sondern als unterkühlte Wassertröpfchen erreicht, gefriert sofort beim Auftreffen auf dem Boden mit einer Temperatur unter 0 ºC, auf Straßen, aber auch auf Bäumen, Telegrafen- und Starkstromleitungen, die dann von einem Eismantel umhüllt werden. Dieser kann das Gewicht der Äste und Leitungen so vergrößern, dass sie brechen und reißen und Stromausfälle auftreten, die sich zur Kälte und zur Empfindlichkeit einer technischen Zivilisation addieren (Fahrstromleitungen der Bahn, Lifte, Computeranlagen, Steuerung der Öl- und Gasheizungen, Beleuchtung und Nachrichtenübermittlung).LawinenIst bei hinreichend hohem und steilem Relief genügend Kälte vorhanden und tritt der Niederschlag in Schneeform auf, können sich Lawinen bilden. Sie fordern besonders in den touristisch erschlossenen Hochgebirgen jeden Winter eine erhebliche Zahl an Todesopfern unter Skifahrern und Wanderern (im Februar 1999: 38 Tote in Österreich, je 10 in der Schweiz und in Frankreich). Bei Hannibals Zug über die Alpen 218 n. Chr. sollen 15 000 bis 18 000 seiner Soldaten umgekommen sein, die Verluste durch Lawinen an der österreichisch-italienischen Front des Ersten Weltkriegs werden auf 40 000 bis 80 000 Personen geschätzt. An den bekannten Lawinenstrichen können heute Infrastruktureinrichtungen durch Verbauungen, Lawinengalerien, Überdachungen und Ableitungsbauten einigermaßen geschützt werden. Lawinenwarndienste messen die Schneebeschaffenheit, gefährliche Ansammlungen können »abgeschossen« werden.Je abhängiger eine Gesellschaft vom funktionierenden Verkehr und Transport ist (Dürrekatastrophen als Versorgungsengpässe), umso katastrophaler ist die Wirkung aller verkehrshemmenden Ereignisse, wie vor allem Nebel. In Minutenschnelle kann die Sicht auf null reduziert und der Verkehr zusammengebrochen sein. Nebel entsteht, wenn feuchte Luft auf eine kalte Oberfläche trifft, die Wasserdampftröpfchen kondensieren und damit sichtbar werden. Durch Temperaturinversion (warme Luft über kalter) kann der Nebel wochenlang bodennah festgehalten und mit immer mehr Rauch- und Abgaspartikeln gesättigt werden (Smogbildung), sodass zur schlechten Sicht die Luftverschmutzung hinzukommt. Die meisten Auffahrunfälle auf den Straßen entstehen durch heftiges Bremsen vor plötzlich auftauchenden Nebelbänken. Am 25. Juli 1956 rammte die schwedische »Stockholm« im Nebel den italienischen Luxusdampfer »Andrea Doria« (29 000 t), der mit 52 Todesopfern sank. Am 27. März 1977 stießen zwei voll getankte Jumbos vom Typ Boeing 747 auf dem Flugplatz von Teneriffa bei Nebel auf der Startbahn zusammen: 574 Tote waren die Folge.Schneestürme in Schleswig-HolsteinDer Beispielfall Schleswig-Holstein 1978/79 wird fast in der gesamten Literatur als »Schneekatastrophe« bezeichnet, war aber eigentlich eine Transport- und Versorgungskatastrophe, also eine ernsthafte Einschränkung unserer so hoch bewerteten Mobilität. Kurz nach Weihnachten, mitten im Urlaubsverkehr, traf am Donnerstag, dem 28. Dezember 1978 ein stabiles Skandinavienhoch mit einem Tief über dem Rheinland zusammen, wobei Sturmböen der Windstärken 8 bis 12 und ein schnelles Absinken der Temperatur auf —10 ºC zu beobachten waren. Fünf Tage lang schneite es ununterbrochen. War man in Schleswig-Holstein und Jütland (Dänemark) traditionell nur auf eine lineare Bedrohung längs der Küste durch Sturmfluten eingestellt und konnte man der Küste immer aus den Reserven des Hinterlands helfen, so erfasste der seit Beginn der wetterdienstlichen Aufzeichnungen einmalige Schnee-Einbruch das ganze Land zwischen Nord- und Ostsee flächenhaft und hatte verheerende Folgen.Ein Eisregen verwandelte Freileitungen in armdicke Stränge, ließ die Kabel reißen und reihenweise Hochspannungsleitungen umstürzen. 66 von 1200 Ortschaften waren daraufhin ohne Strom. Die weitgehend elektrifizierte Landwirtschaft (Melkmaschinen; Schweine- und Hühner-Massentierhaltung in klimatisierten Ställen mit automatischer Fütterung und Entsorgung) brach zusammen. 5000 Personen mussten aus liegen gebliebenen Eisenbahnwagen und Kraftfahrzeugen geborgen werden. 17 Menschen starben. Am 30. 12. 1978 wurde ein totales Fahrverbot erlassen, um notwendige Räum-, Versorgungs- und Rettungsfahrten zu ermöglichen. Räumgeräte sogar aus Bayern und Hessen, Bergepanzer der Bundeswehr, 50 Hubschrauber und der Einsatz von 25 000 Helfern bewältigten schließlich die Krisensituation.Vorsorge gegen Jahrhundertereignisse?Obwohl von einem »Jahrhundertereignis« gesprochen wurde, wiederholten sich — wenn auch in abgemilderter Form — vom 13. Februar 1979 an die Geschehnisse der Jahreswende. Erneut bildeten sich auf der Altschneedecke Schneewehen von bis zu acht Meter Höhe. Doch fehlten diesmal die Weihnachtstouristen, was die Beherbergungssituation der gestrandeten Verkehrsteilnehmer verbesserte. Die Notstromaggregate befanden sich noch auf den erneut von der Außenwelt abgeschnittenen Höfen. Als das Schlimmste vorüber war, wurden Fragen für die Zukunft gestellt: Sollte man für die Straßenbauverwaltungen schwereres Räumgerät anschaffen? Wie verhalten sich Wiederkehrrisiko eines solchen Ereignisses und Veralterungsrisiko der beschafften Schneefräsen? Soll man lieber Freileitungen verkabeln oder Notstromaggregate anschaffen? Würden die subventionierten Notstromaggregate (aus Steuermitteln bezuschusst) nicht die Energieversorgungsunternehmen von ihrer Monopolisten-Verpflichtung freistellen, die Stromversorgung durch die (sehr viel teureren Erdkabel) sicherzustellen? Hätten die betroffenen Bürger nicht in Selbsthilfe viel von dem leisten können, was »professionalisierte Helfer« verrichteten, nachdem sie die Bürger als »störende Gaffer« von den Straßen gescheucht hatten?Hochwasser und HochwasserschutzDie letzten Jahre haben eine Vielzahl schwerer Überschwemmungskatastrophen hervorgebracht, von denen allein jene des Mississippi von 1993 Schäden in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar bewirkten. Die Rheinhochwasser des gleichen Jahrs wurden zwar zum »Jahrhunderthochwasser« (also zum Ereignis mit der statistischen Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung erst in 100 Jahren) erklärt. Aber schon im Januar 1995 wurden sie bereits wieder übertroffen und diesmal zu einem innenpolitisch strittigen Thema zwischen Anrainern am Oberrhein und am Mittel- und Niederrhein (einschließlich Niederlande) über die Wirksamkeit der Brechung von Hochwasserspitzen durch Wasserrückhalt in ausgewiesenen Überschwemmungsgebieten. Dabei sollte man sich die Dimensionen der anstehenden Aufgaben klarmachen: Um 100 Kubikmeter pro Sekunde für den Zeitraum der Hochwasserwelle, zum Beispiel am Rhein über 12 Tage, zurückzuhalten, wird ein Rückhalteraum von 100 Millionen Kubikmeter benötigt mit Investitionskosten von 1000 Millionen DM bei einer Realisierung in großen Becken und 5000 Millionen DM in kleinen Becken. 100 Kubikmeter pro Sekunde entsprechen einer Wasserstandsminderung am Pegel Köln um fünf Zentimeter.Zur Schadensbegrenzung wird man deshalb zweckmäßigerweise nicht nur den Weg des technischen Hochwasserschutzes, sondern auch den der gesetzlichen Einflussnahme auf die Nutzung der flussnahen Gebiete einschlagen: Hochwasserflächenmanagement muss dabei vor Hochwassermanagement gehen. Das führt automatisch zu einer Auseinandersetzung mit den hinter den Schutzanlagen zulässigen Nutzungen, zu Eingriffen in die Flächennutzungspläne der Gemeinden, zu Bauauflagen und somit einer Menge von potenziellen Prozessen. Es sind aber nicht nur kleinräumige Auseinandersetzungen zu erwarten, sondern angesichts des Umstands, dass am Rheinlauf und in seinem Einzugsgebiet sieben Staaten und sechs Bundesländer Zuständigkeiten beanspruchen, müssten auch ihre jeweiligen Hochwasserschutzmaßnahmen miteinander vernetzt werden.Der RheinDer 1320 km lange Rheinlauf (Alpen-, Hoch-, Ober-, Mittel-, Niederrhein, Rheindelta) hat ein Einzugsgebiet von 185 000 km2 und wird von Eis, Schnee und Regen als glazialen, nivalen und pluvialen Einflüssen geprägt, die zu sich überlagernden Hochwasserwellen führen können (warmer Frühjahrsregen auf dicke Schneedecke). Bei einem solchen Abflussverhalten erwiesen sich die Ausbauten des Oberrheins zwischen 1955 und 1977 nachträglich als besonders ungünstig: Während vor 1955 bei entsprechenden Niederschlagsereignissen im Rheineinzugsgebiet die Nebenflüsse mit ihren Hochwasserwellen vor dem Wellenscheitel des Rheins im Mündungsgebiet ankamen, treffen sie heute fast zeitgleich mit der Rheinwelle zusammen und erhöhen die Hochwasserspitzen des Hauptstroms.Die Rückhalteflächen (Retentionsflächen) am Oberrhein wurden zwischen 1955 und 1977 von 270 km2 auf 130 km2 reduziert. Die weite Oberrheinebene scheint zwar im Gegensatz zu den Tälern der Nebenflüsse Neckar, Main, Nahe, Lahn und Mosel genügend Flächen für Retentionsräume anzubieten, aber sie weist nicht nur landwirtschaftliche Nutzflächen, sondern auch weite Industriegebiete, Verkehrsanlagen und Siedlungen auf, die nicht geopfert werden können, um die Abflussspitzen am Niederrhein um ein paar, allerdings unter Umständen entscheidende Zentimeter zu senken. Dennoch wollen die Anlieger des Oberrheins durch umfangreiche Hochwasser-Rückhaltemaßnahmen weitere Katastrophen zumindest entschärfen. Dazu werden in Frankreich zwei Retentionsräume mit zusammen 11 Mio. m3, in Rheinland-Pfalz fünf Rückhalteräume mit zusammen 30 Mio. m3 und in Baden-Württemberg 13 Rückhalteräume mit rund 168 Mio. m3 Volumen geplant. Die Investitionskosten für dieses »Integrierte Rheinprogramm« bis zum Jahr 2010 werden auf 1,5 Milliarden DM geschätzt. Jedoch sind für die Hochwasser am Niederrhein auch die mittelrheinischen Nebenflüsse verantwortlich. Das hier aufgegriffene Thema war für unsere niederländischen Nachbarn schon immer von höchster Aktualität. Denn ihr weithin kaum über oder gar unter dem Meeresspiegel liegendes Land ist, besonders im Mündungsgebiet von Rhein und Maas, von der See und vom Land her von Hochwasser bedroht.Am niederländischen Grenzpegel von Lobith erreichte der Rhein in den letzten Januar- und ersten Februartagen des Jahres 1995 eine Höhe von bis zu 16,68 Metern und eine Abflussmenge von 12 000 Kubikmeter pro Sekunde, ein Ereignis, das statistisch gesehen einmal in 80 Jahren eintritt. Einige Polder erschienen so bedroht, dass 200 000 Menschen und viele Millionen Tiere evakuiert wurden. Die ökonomischen und psychologischen Auswirkungen dieser Maßnahme wurden in den ganzen Niederlanden verspürt. Am Rhein lässt sich die zu erwartende Wassermenge für 48 Stunden vorhersagen. Es ist klar, dass umfangreiche Evakuierungen mindestens einen solchen Zeitraum benötigen.Ein nicht eingedeichter Fluss vermittelt seinen Anliegern nicht das trügerische Gefühl der Sicherheit, sein Steigen ist sinnlich wahrnehmbar und zwingt zur rechtzeitigen Evakuierung der Flussaue. Ein zwischen Deichen fließender Fluss gewährt zwar bis zu einem gewissen Wasserstand Sicherheit, die aber schlagartig beim plötzlichen Bersten eines Damms zu Ende sein kann, ohne dass genügend Evakuierungszeit bliebe. So werden die auf drei Milliarden Gulden kalkulierten Kosten eines jetzt landeinwärts gerichteten »zweiten Deltaplans« bis zum Jahre 2000 nicht ohne gewisse Skrupel aufgewendet werden. Ob sich der Wettlauf mit in der Zukunft vielleicht noch höheren Wasserständen an Lek, Waal und Maas auf die Dauer wird gewinnen lassen? Schadensminderung sollte man vielleicht eher darin suchen, potenzielle Überschwemmungsgebiete von Besiedlung und Infrastruktureinrichtungen weitgehend freizuhalten.Hier wurde versucht, innen-, außen- und planungspolitische Fragen anzusprechen. Auch ein vorhergesagtes Hochwasser ist bereits in einem Raum mit vorzüglicher Verkehrs- und Kommunikationsstruktur, Technischem Hilfswerk, Feuerwehr, Versicherungen und staatlichen Entschädigungen ein großes Problem — wie sehr dann erst in Entwicklungsländern wie beispielsweise Bangladesh.Hochwasser in BangladeshDie Südhänge des Himalaya von Nepal über Sikkim und Bhutan bis Assam bieten ausgezeichnete Standortbedingungen. Während die Edelhölzer für die Holzindustrie geschlagen werden, ist die rapide wachsende Bevölkerung mit ihren Brandrodungen immer tiefer in die Gebirgswälder eingedrungen, um so ihre Ernährung zu sichern. Die entwaldeten Hänge, dem Regen ungeschützt exponiert, verlieren durch Erosion ihre Bodenkrume, die von Ganges und Brahmaputra als Schlammflut und Sedimentfracht abtransportiert wird. Die Dammflüsse Ganges und Brahmaputra sowie der aus dem Khasigebirge des angrenzenden Assam kommende Meghna haben das Land Bangladesh geschaffen, das (mit 125 Millionen Menschen auf einer doppelt so großen Fläche wie Bayern, wo aber nur 12 Millionen Menschen leben) eine riesige Schwemmlandebene bildet, die sich unablässig in den von tropischen Wirbelstürmen bedrohten Golf von Bengalen vorschiebt. Neue Untersuchungen ergaben, dass die durch den sommerlichen Südwestmonsun verursachten Niederschläge im bengalischen Tiefland selbst für den Wasserstand mitverantwortlich sind (im nahen Assam liegt Cherrapunji, das mit über 10 000 Millimeter im Jahr als niederschlagreichster Ort der Erde gilt). Die Niederschläge im Himalaya wirken sich verzögert auf das Tiefland aus. Große Hochwasser hat es im Übrigen seit jeher gegeben.Ein Viertel der schnell wachsenden muslimischen Bevölkerung lebt auf Land, das nur bis zu fünf Meter über dem (sich hebenden) Meeresspiegel liegt. Der große Bevölkerungsdruck (Anstieg allein zwischen 1974 und 1997 von 72 Millionen auf 125 Millionen) sucht sich im amphibischen Saum des Salzwasser-Marschlands ein Notventil. Auf diesen sich ständig verlagernden Schwemmlandinseln in der Gangesmündung, den Chars, leben rund 600 000 Menschen. Hier hält die staatliche Verwaltung mit der Neulandbildung nicht Schritt, hier gibt es keinerlei Infrastruktur, keine Straßen und Brücken. Landlose Bauern ohne Rechtstitel (»Squatter«) und Wanderarbeiter hausen hier — oft in Unkenntnis des Hochwasserrisikos — in ihren Schilfhütten. Gelegentlich werden sie von reichen Landlords aus dem Hinterland mit einem Wasserbüffel, Pflug und Saatgut ausgestattet, müssen dann aber die Hälfte ihrer Ernte abführen.Die größte Gefahr herrscht dann, wenn sowohl durch sieben bis zehn Meter Flutstau von vorüberziehenden Zyklonen Meerwasser in die Mündungsarme gedrückt wird, als auch gleichzeitig aus dem Binnenland Starkniederschläge Hochwasser bewirken und die Dammflüsse zum Überlaufen bringen. Die katastrophalen Hochwasser, durch die oft über die Hälfte, 1998 sogar 80 Prozent des gesamten Staatsgebiets überflutet werden, haben auch positive Auswirkungen; sie bringen notwendige Nährstoffe auf die Felder.Die Hochwasserkatastrophen führen nicht nur zu großen Verlusten an Menschenleben (zum Beispiel 1876 und 1991 200 000 bis 500 000, 1970 über 300 000), an Vieh, Behausungen und Ernten, sondern auch zu einer Bodenversalzung durch Meerwasser. Etwa zwei Monate Regen sind notwendig, um versalzte Reisfelder wieder rein zu waschen. Vier weitere Monate vergehen bis zur nächsten Ernte, eine Zeit, in der die Bevölkerung entweder verhungert oder von außen versorgt werden muss, wobei die Hilfslieferungen bei fehlenden Straßen, Brücken und Fähren häufig nicht den Weg zu den Bedürftigen finden.Der Bau von drei bis vier Meter hoch aufgeständerten Schutzplattformen (Cyclone shelters), unter denen die Flutwelle durchschießen kann, soll hier Abhilfe schaffen. Als Versammlungszentrum, Sozialstation, zur Familienberatung und als Sanitätsstützpunkt sollen sich diese Plattformen der Bevölkerung einprägen, sodass sie mehr als nur Zufluchtsplätze werden. Ein Schutz des Festlands durch Deiche, vorgesehen im Flood Action Plan, würde die Erosion verstärken und zur Vernichtung der aus lockeren Feinsedimenten bestehenden Chars führen.Die Sturmflut 1962 in HamburgGemessen an den Verlusten einer Hochwasserkatastrophe in Bangladesh oder in China (1931: Jangtsekiang 1 400 000, 1938: Hwangho 500 000, 1959: Nordchina 2 000 000 Tote) nimmt sich die Sturmflut von 1962 an der Nordsee mit 347 Toten wenig sensationell aus. Aber sie betraf die zweitgrößte deutsche Stadt und eine Gesellschaft, die seit den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs den Begriff Katastrophe nicht mehr kannte. Zwar waren rechtzeitig Sturmflutwarnungen ab dem 16. Februar für die gesamte deutsche Nordseeküste ausgegeben worden, doch erkannte man im 100 Kilometer vom Meer entfernt gelegenen Hamburg die bestehende Gefahr zunächst nicht, während schon die Hochwasserwelle elbaufwärts gedrückt wurde.Sturmfluten ähnlicher Höhe hatten 1825 (800 Tote), 1845 und 1855 stattgefunden. Aber damals trafen sie auf eine noch bodenverbundene Gesellschaft. 137 Jahre später lebten in den deichgeschützten Elbmarschen Hunderttausende von städtischen Zuzüglern ohne innere Beziehung zu den Deichen. Die Grasnarbe, die den Deichkörper sichert, war seit dem Wegfall der Schafhaltung nicht mehr beweidet und festgetreten und daher lückenhaft. Bodentiere, deren Baue nicht mehr durch Viehtritte gestört wurden, hatten ihre Gänge gegraben und die Deiche geschwächt. Am 17. Februar 1962 fanden zwischen 1.15 Uhr und 4.00 Uhr mehr als 60 Deichbrüche statt, 15 100 Hektar Land (ein Fünftel des Hamburger Stadtgebiets) wurden von etwa 200 Millionen Kubikmeter Wasser überschwemmt. Im betroffenen Gebiet wohnten 120 000 Menschen, von denen 34 000 unmittelbar betroffen waren und 20 000 evakuiert werden mussten. Der Sachschaden wurde auf 600 Millionen DM (in Werten von 1962) geschätzt. Energieerzeugung und -versorgung sowie das Fernsprechnetz fielen teilweise aus, die Rettungshubschrauber wurden durch den tobenden Orkan behindert, der auch Sturmglocken und Sirenen übertönte. Die Hauptverkehrsstränge von Bahn und Straße in Richtung Süden, U- und S-Bahn waren unterbrochen, die Hamburger lebten zeitweise auf einer Insel.780 Millionen DM, davon 420 seitens des Bundes, wurden seither zum Schutz Hamburgs verbaut. Diesen Bauten ist es zu danken, dass das 1962er-Ereignis, das bei 5,70 m über Normalnull (NN) stattgefunden hatte, sich auch bei schwereren nachfolgenden Sturmfluten wie 1976 (6,45 m über NN) oder 1981 (5,81 m über NN) nicht wiederholte.Beispiel: Oderhochwasser 1997Das Sommerhochwasser 1997 an der 854 km langen Oder mit ihrem Einzugsgebiet von fast 120 000 km2 betraf im Wesentlichen die Nachbarländer Polen und Tschechien, auf deutschem Staatsgebiet vor allem das Oderbruch. Nur 160 km der Laufstrecke der Oder ab Ratzdorf südlich von Eisenhüttenstadt, wo die Görlitzer Neiße einmündet, bilden seit 1945 die deutsche Grenze zu Polen. Schon vor 250 Jahren, als Friedrich der Große die Trockenlegung der Sümpfe im Oderbruch veranlasste, begann man den Strom zu begradigen. Im Kaiserreich und im Dritten Reich stellte er eine wichtige Schifffahrtsstraße zwischen der oberschlesischen Kohle und dem schwedischen Eisenerz dar, verlor aber nach 1945 als Grenzfluss an Bedeutung, sodass auch seine Dämme nicht mehr so sorgfältig gepflegt wurden.Da das Einzugsgebiet der Oder schon stark kontinentalklimatisch beeinflusst ist, fallen an der unteren Oder im Allgemeinen weniger als 500 mm Jahresniederschlag, im Süden, in den Kammlagen der Sudeten um 1000 mm, in der Zeit vom 4. 7. bis 9. 7. 1997 aber allein 585 mm, in der Lysa Hora vom 4. 7. bis 27. 7. sogar über 800 mm, das heißt zwei Drittel der Jahresmenge. Die Niederschläge wurden von einer Vb genannten Zugbahn verursacht. Sie bringt feuchtwarme Luft (Tiefdruckgebiet) vom Golf von Genua zum Ostseeraum. Gleitet sie über dem östlichen Mitteleuropa auf kalte Polarluft, werden heftige Regenfälle ausgelöst; 1997 verschärfte ein weiteres Tief die Lage. Die Pegelwerte der Oder bei Eisenhüttenstadt, im Mittel bei 278 cm, stiegen auf 715 cm an. In Südpolen wurden 5000 km2 überschwemmt, darunter die Städte Breslau, Oppeln und Liegnitz. Auf der deutschen Seite brach der Hochwasserdamm südlich von Frankfurt am 23. 7. 97 bei Stromkilometer 574. Bereits einen Tag später trat ein zweiter Dammbruch ein, am 26. 7. ein dritter, sodass die Ziltendorfer Niederung mit ihren etwa 4500 Hektar (überwiegend Ackerland) überschwemmt wurde. Durch diese Entlastung fielen die Wasserstände der Oder vorübergehend um 75 Zentimeter. 8000 Menschen mussten evakuiert werden, in Polen 150 000. Große Gebiete auf polnischer Seite wurden zu unfreiwilligen Retentionsräumen und entlasteten die Stromanlieger auf der Westseite um etwa eine Milliarde Kubikmeter Wasser.Als exemplarisch gilt der Einsatz der Hilfskräfte, darunter 30 000 Soldaten der Bundeswehr mit mehr als 3000 Fahrzeugen und Spezialmaschinen, Polizei, Bundesgrenzschutz, Feuerwehren, zivile Hilfsorganisationen und nicht zuletzt die betroffene Bevölkerung selbst. Acht Millionen Sandsäcke, mit 177 000 Tonnen Sand und Kies gefüllt, wurden an die Dammbruchstellen gebracht. Die Schäden in den betroffenen Ländern wurden auf mehr als zehn Milliarden DM geschätzt, davon in Deutschland 648 Millionen DM. Die Erneuerung der Straßen und Deiche wird weitere 207 Millionen DM erfordern. Da das für die Flutopfer in Deutschland gespendete Geld (130 Millionen DM) zu viel für die rund 700 tatsächlich betroffenen Deutschen und ihre 200 geschädigten Privathäuser war, wurde ein Teil der Spenden nach Polen und Tschechien umgeleitet. Mit diesen Ländern wurde die Erarbeitung einer transnational abgestimmten Hochwasserschutzkonzeption beschlossen, die auch für die Ostseeanlieger von Interesse ist, weil mit der Flut große Mengen von Heizöl, Schädlingsbekämpfungsmitteln und Düngemitteln in das bereits hoch belastete Ostseewasser eingetragen wurden.Prof. Dr. Robert Geipel, GautingGrundlegende Informationen finden Sie unter:Naturkatastrophen: Bedrohung und MedienereignisNaturkatastrophen: Erdbeben, Vulkanausbrüche, ErdrutscheGeipel, Robert: Naturrisiken. Katastrophenbewältigung im sozialen Umfeld. Darmstadt 1992.Natural hazards. Local, national, global, herausgegeben von Gilbert F. White. Neudruck New York u. a. 1977.Nussbaumer, Josef: Die Gewalt der Natur. Eine Chronik der Naturkatastrophen von 1500 bis heute. Grünbach 21999.
Universal-Lexikon. 2012.